In der aktuellen Ausgabe des Kundenmagazins CREDUM der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe schreibt Katja Schult darüber, wie Unternehmensübernahmen eine Brücke zwischen Tradition und Fortschritt schlagen können.
Tradition bezeichnet eine Haltung, die am Herkömmlichen, Gewohnten festhält und mitunter über Generationen weitergegeben wird.
LAMY steht wie kaum eine andere deutsche Marke für viele Generationen für die ersten geschriebenen Buchstaben, den ersten handschriftlich verfassten Liebesbrief, die Postkarte an die Großeltern oder den ersten unterzeichneten Arbeitsvertrag – für Erinnerungen, die jede und jeder gern festhält. Im Jahr 1930 schrieb C. Josef Lamy Geschichte, als er das deutsche Markenunternehmen für Schreibgeräte gründete. Die eigentliche Erfolgsgeschichte begann 36 Jahre nach der Firmengründung mit dem Einstieg von Manfred Lamy, der zweiten Generation, und dem LAMY 2000: Dieses Modell begründete 1966 die klare, unverwechselbare Formensprache, die bis heute stilprägend für alle Produkte der Marke ist – das LAMY-Design. LAMY ist heute weltweit in über 80 Ländern mit mehr als 15.600 Verkaufsstellen vertreten und steht für hochwertige Designschreibgeräte mit zeitloser Ästhetik und perfekter Funktionalität. Bis heute produziert das Unternehmen ausschließlich an seinem Hauptsitz in Heidelberg. Über 300 Mitarbeitende stehen für deutsche Präzisionsarbeit. «Made in Germany» ist nicht nur ein Qualitätsversprechen, sondern steht auch für die enge Bindung und den Zusammenhalt der Belegschaft.
Manfred Lamy übergab bereits 1995 erste Firmenanteile an die dritte Generation. Die operative Unternehmensnachfolge wurde sukzessive auf ein externes Management übertragen. 2023 sollte nicht nur das Jahr werden, in dem LAMY eine neue Ära des lebenslangen Lernens einläutete: Neben der Erweiterung des Digital-Writing-Portfolios in Zusammenarbeit mit renommierten Technologieunternehmen verfolgt das Unternehmen aktiv eine Premiumstrategie, zum Beispiel im Rahmen limitierter Kooperationen, wie «LAMY x Harry Potter» mit Warner Bros. Discovery. 2023 ist auch das Jahr, in dem die LAMY-Gesellschafter beschlossen, eine neue Grundlage für den weiteren Erfolg und die Zukunft des Unternehmens und der Marke zu schaffen. Mit Bedacht sollte ein neuer Eigentümer gesucht und gefunden werden, der den Pioniergeist fortschreiben und an bestimmten Werten festhalten würde, etwa am Produktionsstandort Heidelberg – ein Spagat zwischen Tradition und Wandel. Mithilfe professioneller Unterstützung von IMAP wurde ein M&AProzess eingeleitet, und die Suche nach einem geeigneten Investor begann.
Im wirtschaftlichen Kontext denken wir bei Fortschritt unter anderem an technologische Entwicklungen, Digitalisierung sowie an Transformation.
So kam Mitsubishi Pencil ins Spiel. Das 1887 von Niruko Masaki in Japan gegründete Unternehmen wird heute in der sechsten Generation von Shigehiko Suhara geführt. Mitsubishi Pencil ist ein unabhängiges Unternehmen und gehört nicht zur Mitsubishi-Gruppe. Das Masaki-Familienwappen wurde 1903 als «Mitsubishi Three-Diamond»-Marke registriert und symbolisiert die ersten drei hergestellten Stifte, die 1901 an das Ministerium für Kommunikation geliefert wurden. Obwohl das Unternehmen an der Tokyo Stock Exchange gelistet ist, befindet es sich noch heute mehrheitlich in Familienbesitz.
Mitsubishi Pencil gilt mit einem Umsatz von mehr als 450 Mio. EUR als der führende Hersteller von Schreibwaren in Japan, wobei mehr als 50 Prozent des Umsatzes außerhalb Japans erwirtschaftet werden. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 2.700 Mitarbeitende in 22 internationalen Vertriebsniederlassungen und betreibt elf Fertigungsstätten. Neben den weltweit bekannten Produkten, dem Bleistift «uni» und dem Tintenroller «uni-ball», gehören zum Markenportfolio des Unternehmens unter anderem die «POSCA»-Marker, die wegen ihrer lebendigen Tintenfarben im Bereich Kunst und Handwerk sehr beliebt sind.
In Zeiten des Onlinehandels ist es für Konsumgüterunternehmen unverzichtbar, auch eine dezidierte E-Commerce- Strategie aufzustellen – ein Tätigkeitsfeld, das Mitsubishi Pencil sehr früh in Angriff genommen hat. Für die Zeit bis zum 150-jährigen Firmenjubiläum hat sich Mitsubishi Pencil als Vision auferlegt, «the world’s leading expressive innovation company» zu werden, deren Produkte die menschliche Kreativität und Individualität fördern. Aus unternehmerischer Sicht stand fest, dass diese Entwicklung sowohl durch organische Weiterentwicklung als auch anorganisch durch die Übernahme von Unternehmen, bei denen die Kombination der Kompetenzen für beide Seiten förderlich ist, verfolgt werden könnte. Zwei traditionsreiche Familienunternehmen mit beliebten Schreibwarenlinien – was Mitsubishi Pencil jedoch von LAMY unterscheidet, ist die Positionierung der Marken: Der japanische Hersteller ist in einem preisgünstigeren Segment verortet. Die Premiumpositionierung der Marke und der Produkte von LAMY war für Mitsubishi Pencil letztlich aber kein Hindernis, sondern sogar ein starkes Argument für den Zusammenschluss – LAMYs hohe Expertise in der Federproduktion und in der Verwendung langlebiger Produktkomponenten sowie die Designkompetenz sollten die hohe Fertigungskompetenz und das breite Vertriebsnetz von Mitsubishi Pencil ergänzen. An der Premiumstrategie von LAMY wollte man nicht rütteln. Bereits der Vater von Shigehiko Suhara hatte seine Anerkennung und Wertschätzung für das Unternehmen LAMY zum Ausdruck gebracht.
Fortschritt kann nicht entstehen ohne die Verbindung zur Tradition.
Mit der Beauftragung von IMAP als M&A-Berater durch die Verkäufer sollte eine Brücke zwischen Tradition und Fortschritt geschlagen und die Nachfolge eingeleitet werden. Die Arbeitsplatzsicherheit für die Belegschaft, die Standortzusage für die Produktion in Heidelberg und damit einhergehend die Wertschätzung für «made in Germany» und den Erhalt der Designmarke LAMY waren während des gesamten Prozesses essenzielle Kriterien für die Suche nach dem richtigen Partner. Um den geeigneten Partner für Unternehmensnachfolgen zu finden, braucht es zudem eine klare Linie innerhalb des zu verkaufenden Unternehmens: Wie kann die Unternehmensstrategie fortgesetzt werden? Wo braucht das Unternehmen einen starken Partner, um gemeinsam weiter wachsen zu können?
LAMY als Marke hat bereits heute eine starke Wahrnehmung als Premiummarke in Asien, insbesondere in Japan. Im Rahmen eines strukturierten und kompetitiven Bieterprozesses wurden von IMAP potenzielle Investoren auf internationaler Ebene angesprochen. Die dezidierte Vorbereitung, zusammen mit dem Management und den Beratern der Verkäufer, ermöglichte eine stringente Prozessführung und somit auch eine zeitlich effiziente Umsetzung der Transaktion. So konnte auch die Vertraulichkeit über den Prozess gewahrt und zusätzlich die Transaktionssicherheit gesteigert werden. Mit Mitsubishi Pencil hat LAMY einen neuen Eigentümer gewonnen, der in den Standort in Heidelberg, in die Marke LAMY und in Produktneuheiten investiert. Von der Übernahme werden beide Unternehmen profitieren: Durch Mitsubishi Pencils starkes weltweites Vertriebsnetz und die hohe Kompetenz im Onlinehandel kann der Absatz von LAMY zusätzlich gesteigert werden. Die Kapitalstärke von Mitsubishi Pencil ermöglicht es dem deutschen Unternehmen zudem, seine Innovationsstärke weiter auszubauen. Darüber hinaus können die beiden Schreibwarenspezialisten gemeinschaftlich neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen, zum Beispiel im Bereich Digital Writing, und so letztlich den globalen Marktanteil ausbauen.
Abschlusswort
Fortschritt beginnt meist mit einem Gedanken, der auf Papier gebracht und visualisiert wird. Fortschritt muss nicht bedeuten, dass Traditionen oder Werte aufgegeben werden, sondern sie können in Kombination mit neuen Ideen und Perspektiven etwas Neues, Besseres hervorbringen. Auf jeden Fall wird Stillstand vermieden, und im übertragenen Sinne können somit auch Unternehmen vor dem Stillstand bewahrt werden. Fortschritt muss nicht nur auf der operativen Ebene gelebt werden: Auch Gesellschafter müssen in ihrer Rolle ihr Handeln hinterfragen, und manchmal braucht es die Transformation von ganz oben, um weiteres Wachstum zu generieren und den Erhalt des Unternehmens zu wahren. Die Transformation ist in der Ausgestaltung mannigfaltig und kann auf der Gesellschafterebene von Kapitalerhöhungen über Minderheits- und Mehrheitsverkäufe an strategische oder Finanzinvestoren bis hin zu Übernahmen anderer Unternehmen reichen. Falls auch noch interkulturelle Aspekte hinzukommen, sind diese ebenso wie der Spagat zwischen Tradition und Fortschritt als Herausforderung und Chance zugleich zu verstehen – professionelle Beratung und gute Kommunikation gewinnen mit zunehmender Komplexität an Bedeutung. IMAP hat in jüngster Vergangenheit drei Transaktionen mit japanischen Investoren erfolgreich abgeschlossen. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Kollegen vor Ort (die deutsche IMAP M&A Consultants AG ist Teil einer globalen Partnerschaft, die weltweit nahtlos zusammenarbeitet und der auch eine japanische Transaktionsberatung angehört) spielt dabei eine bedeutende Rolle. Sie unterstützen bei sprachlichen und kulturellen Aspekten, von der Ansprache des richtigen Entscheidungsträgers über die Einbindung von Dolmetschern bei Managementpräsentationen bis hin zum zeremoniellen Ablauf des Signings. Eine wertvolle Erfahrung, die IMAP dabei gemacht hat: Haben sich japanische Investoren einmal zur Zusammenarbeit bekannt, stehen sie zu ihrem Wort. Gerade das Bekenntnis japanischer Investoren zu langfristigen Partnerschaften macht sie zu einem starken und verlässlichen Partner für zukünftiges Wachstum – für LAMY ebenso wie für andere Unternehmen, die auf der Suche nach strategischen Nachfolgelösungen sind.
Download